Interview mit Verbandsdirektor Dr. Wolfgang Heine zum Regionalverband Bodensee-Oberschwaben: Die Regionalplanung und ihre Bedeutung für Windparkprojekte

Mit der Energiewende und dem erklärten Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, befindet sich Deutschland mitten in einer Transformation des Energiesystems. Um diese Transformationsbemühungen voranzubringen, hat die Bundesregierung im Wind-an-Land-Gesetz festgelegt, dass zwei Prozent der deutschen Landesfläche für Windkraft zur Verfügung gestellt werden sollen. So möchte bzw. muss auch das Land Baden-Württemberg zwei Prozent seiner Flächen für Erneuerbare Energien bereitstellen, denn hierzulande will man bereits 2040 klimaneutral sein. Dabei sind 1,8 Prozent für Windkraft und die verbleibenden 0,2 Prozent für Solarenergie vorgesehen. Welche Flächen grundsätzlich für die Nutzung als Windpark geeignet sind, bestimmen in Baden-Württemberg die Regionalen Planungsverbände.

Um einen tieferen Einblick in die Regionalplanung zu ermöglichen, haben wir Dr. Wolfgang Heine, Verbandsdirektor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, einige Fragen gestellt.

Herr Heine, was ist überhaupt ein Regionalverband und welche Aufgaben hat er?

Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben ist Träger der Regionalplanung für das Gebiet der Landkreise Bodenseekreis, Ravensburg und Sigmaringen. Er stellt Grundsätze und Ziele auf, wie Flächen in der Region genutzt werden, beispielsweise in Bezug auf Windkraft, Rohstoffabbau oder dem Umgang mit Freiflächen. Damit arbeitet der Regionalverband an einer Schnittstelle zwischen Vorstellungen und Vorgaben der Entwicklung auf Landesebene einerseits und kommunaler Gemeindeentwicklung andererseits. Der Regionalverband ist vor allem für die Aufstellung und Fortschreibung des Regionalplans zuständig und konkretisiert die Belange einzelner Bereiche in Teilfortschreibungen wie dem Teilregionalplan Energie. Außerdem steht er Planungsträgern beratend zur Seite und verfolgt grenzüberschreitende Projekte.

Was ist der Teilregionalplan Energie und wie ist der momentane Stand bei dessen Entwicklung?

Die Umsetzung des 2-Prozent-Ziels der Landesregierung erfolgt über den Teilregionalplan Energie. Dabei kommt dem Regionalverband die verantwortungsvolle Aufgabe zu, zu planen, wie und vor allem wo – also auf welchen Flächen, dieses Ziel erreicht werden kann. Dafür legt der Regionalplanungsverband Vorranggebiete für Windenergie fest, trifft also eine Vorauswahl potenzieller Standorte für Windenergieanlagen. Die Arbeiten daran laufen seit dem Jahr 2021 und sollen inklusive der Genehmigung bis Ende 2025 abgeschlossen sein.

Wie wird der Teilregionalplan Energie erstellt und welche Kriterien werden dabei angelegt?

Es handelt sich beim Teilregionalplan Energie um ein Rechtsverfahren, das formal mit einem sogenannten Aufstellungsbeschluss beginnt und mit einem Satzungsbeschluss endet. Beide Beschlüsse fällt die zuständige Verbandsversammlung, also das zuständige Regionalparlament. Nach Genehmigung des Teilregionalplans durch das zuständige Landesministerium wird der Plan verbindlich.
Die Kriterien für den Ausbau der Wind- und Solarenergie ergeben sich aus dem vom Gesetzgeber definierten Rahmen und dem daraus abgeleiteten Planungskonzept des Regionalverbands. Zur Ermittlung geeigneter Flächen und um die bestmögliche Lösung für die Region zu finden, kommen im Planungsprozess schrittweise Ausschluss-, Konflikt- und Eignungskriterien zur Anwendung. Dabei wurde jeweils eine dreistufige Unterteilung vorgenommen, die den Grad des Konflikts beziehungsweise der Eignung beschreibt. Schlussendlich sind es jeweils weit über 100 Kriterien, die abgestuft in die Bewertung von Flächen einfließen, und es gilt, diejenigen Flächen in den Fokus zu nehmen, die eine möglichst hohe Eignung und geringe Konfliktintensität aufweisen.

Warum arbeiten Regionalverbände bei der Regionalplanung mit unterschiedlichen Kriterien, was beispielsweise den Abstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung angeht?

Die Regionen in Baden-Württemberg sind nicht alle gleich, sie weisen unterschiedliche Grade an Siedlungsdichte und auch Windhöffigkeit auf. Um das für alle Regionen verbindliche Flächenziel von 1,8 Prozent für die Windkraft zu erreichen, kann beispielsweise die relativ dünn besiedelte Region Ostwürttemberg generell einen Mindestabstand von 1.000 Meter vom Vorranggebiete Wind zum Wohngebiet anwenden. Wenn die Region Hochrhein-Bodensee diesen Abstand verwendet hätte, hätte sie so gut wie keine Fläche gefunden. Die Region Bodensee-Oberschwaben wahrt 750 Meter Abstand zu allgemeinen Wohngebieten, in vielen Fällen auch darüber hinaus. Dabei handelt es sich lediglich um einen Vorsorgeabstand, den alle Windkraftanlagen einhalten müssen. Um eine Belästigung von Anwohnern durch die Geräusche von Windkraftanlagen zu vermeiden, wird im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags für jedes Windrad geprüft, ob der Abstand zur Wohnbebauung ausreichend ist. Jedes einzelne Windrad muss darin den Nachweis erbringen, dass es die gesetzlichen Lärmgrenzwerte bei Wohngebäuden einhält.

Wie ist das weitere Vorgehen beim Teilregionalplan Energie und wann ist die Regionalplanung voraussichtlich abgeschlossen?

Momentan liegt ein erster Entwurf des Teilregionalplans vor. Er enthält 43 Vorranggebiete für die Windenergie, die zusammen eine Fläche von 2,5 Prozent der Region ausmachen. Es gibt also noch einen Puffer zum Flächenziel von 1,8 Prozent. Die Flächen befinden sich zu 80 Prozent im Wald und zu 20 Prozent im Offenland. Im Landkreis Sigmaringen liegen 59 Prozent der Flächen, im Landkreis Ravensburg 37 Prozent und im Bodenseekreis 4 Prozent. Die ungleiche Verteilung resultiert vor allem aus unterschiedlichen Siedlungsdichten und Windhöffigkeiten. Die ausgewiesenen Vorranggebiete sind Potenzialflächen und nicht in jedem Vorranggebiet muss später ein Windpark entstehen, das hängt auch vom Eigentümer ab. Im Zuge einer ersten Offenlage wurden Träger öffentlicher Belange (Gemeinden, Behören) sowie Privatpersonen eingeladen, Stellungnahmen einzureichen. Dabei sind rund 9.500 Stellungnahmen eingegangen, die derzeit gesichtet, bewertet und abgewogen werden. Danach erfolgt eine zweite Offenlage. Bis zum 30. September 2025 schreibt das Landesplanungsgesetz einen Satzungsbeschluss für den Teilregionalplan Energie vor, bis dahin müssen wir also fertig sein.

Welche Bedeutung hat der Teilregionalplan Energie nach Verabschiedung für die Planung von Windparks in der Region?

Wenn der Teilregionalplan Energie verbindlich ist, können windkraftprojektierende Firmen Windparks nur noch in den festgelegten Vorranggebieten und bereits von Kommunen ausgewiesenen Flächen realisieren. Der Teilregionalplan Energie entfaltet also eine Ausschlusswirkung. Kommunen können zwar auch künftig zusätzliche Flächen ausweisen, damit ist aber kaum zu rechnen.

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