Interview mit Bernhard Dingler, ForstBW (Teil 2): Naturschutz und Erneuerbare – Der forstwirtschaftliche Blick auf die Windenergie im Altdorfer Wald

Der Altdorfer Wald, das größte zusammenhängende Waldgebiet in Oberschwaben mit einer Fläche von 82 Quadratkilometer birgt eine Vielzahl von Funktionen. Er dient nicht nur als Naherholungsgebiet und Lebensraum für Pflanzen und Tiere, sondern wird auch durch ForstBW bewirtschaftet, um eine nachhaltige Nutzung und dessen Erhaltung sicherzustellen. Mit dem Windpark Altdorfer Wald ist die Entstehung von Windkraftanlagen auf ausgewiesenen Flächen im Altdorfer Wald geplant. Als Forstbezirksleiter des Altdorfer Waldes bringt Bernhard Dingler eine profunde Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten mit. Er stand uns für ein Interview zur Verfügung. Im ersten Teil des Interviews [Link] erläuterte er die Rolle und Funktion von ForstBW für die Staatswälder in Baden-Württemberg. Im zweiten Teil soll es nun darum gehen, wie es konkret um den Altdorfer Wald steht und wie sich forstwirtschaftliche Ziele, wie Nachhaltigkeit und Ertrag, mit dem Windparkprojekt in Einklang bringen lassen.

Herr Dingler, wie ist der Zustand des Altdorfer Walds aus forstwirtschaftlicher Sicht zu bewerten?

In der Vergangenheit hat sich der Altdorfer Wald ständig gewandelt und wird dies auch in Zukunft tun. Früher dominierten Fichten und vor 300 Jahren litt der Wald noch unter einer intensiven Übernutzung. Im Vergleich dazu ist der Wald heute in einem sehr guten Zustand. Im Altdorfer Wald finden wir heute viele unterschiedliche Waldtypen, meist gut strukturierte naturnahe Mischwälder.  Der Anteil der Fichten nimmt weiterhin ab, zugunsten einer Vielfalt verschiedener Laub- und Nadelbaumarten. Eine erfolgreiche Naturverjüngung führt dazu, dass weniger Bäume gepflanzt werden müssen. Dadurch entwickelt sich eine vielfältige, mehrschichtige Struktur, die dem Wald zugutekommt.

Die Standortbedingungen sind ebenfalls günstig: der Altdorfer Wald erstreckt sich über verschiedene Höhenstufen, die Bodenverhältnisse sind gut und es fällt vergleichsweise viel Niederschlag. Trotz der Hitze und Trockenheit der letzten Jahre hat der Altdorfer Wald sich dadurch besser gehalten als Wald in anderen Gebieten. Doch diese Stabilität ist keine Garantie für die Zukunft, besonders angesichts des Klimawandels. Die Unvorhersehbarkeit der kommenden Veränderungen erfordert eine fortlaufende Anpassung und eine vorausschauende Waldpflege.

Apropos Klimawandel: Was sind derzeit die größten Gefahren für den Altdorfer Wald?

Neben den Herausforderungen des Klimawandels, die sich insbesondere durch extreme Hitze, Dürren und Trockenheit bemerkbar machen, ist der Altdorfer Wald auch anderen Bedrohungen ausgesetzt. Stürme, Schneebruch sowie Schäden durch Insekten (u.a. Borkenkäfer), Pilze und andere Krankheitserreger stellen weitere Gefahren dar. Ein konkretes Beispiel hierfür ist das Eschentriebsterben, bei dem eine Pilzerkrankung am einst hohen Eschenanteil im Altdorfer Wald erhebliche Schäden verursacht hat.

Darüber hinaus belasten Emissionen wie Stickstoff aus intensiver Landwirtschaft, Verkehr und Industrie den Wald zusätzlich. Insgesamt zeigt sich, dass der Wald stets dynamisch ist und sich kontinuierlich verändert.

Forstwirtschaft und Windenergie – wie geht das aus Ihrer fachlichen Sicht zusammen?

Es ist unumstritten: Um den Wald, und auch andere Ökosysteme, langfristig in einem günstigen Zustand zu erhalten, ist eine Energiewende und der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien von entscheidender Bedeutung. Der Wald ist darauf angewiesen, dass die derzeitige rasante Entwicklung des Klimawandels gebremst wird und die Klimaschutzziele rasch erreicht werden. Dabei spielt die Windenergie eine zentrale Rolle. Doch gleichzeitig ist es auch wichtig, zu sehen, dass die Windenergie in unserer Region ihrerseits auf Waldflächen angewiesen ist. Denn außerhalb des Waldes stehen hier nur wenige Flächen für die Windkraft zur Verfügung.

Sehen Sie hierbei Herausforderungen oder gar Risiken?

Der Bau von Windkraftanlagen im Wald stellt stets einen Eingriff in das bestehende Ökosystem dar. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, diesen Eingriff so gering wie möglich zu halten und sinnvolle Ausgleichsmaßnahmen zu treffen, die vorzugsweise in unmittelbarer Nähe umgesetzt werden sollten. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, geeignete Flächen zu finden, auf denen Windräder realisiert werden können. Dabei ist es dringend geboten, zeitnah zu handeln, da der Ausbau der Erneuerbaren Energien bereits seit Jahren aufgeschoben wurde. Eine weitere Herausforderung ist es, auf die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung bauen zu können.

In Bezug auf Risiken ist anzumerken, dass jede Windenergieanlage einen Eingriff in die Natur darstellt und Waldfläche in Anspruch nimmt. Im Vergleich zu anderen regenerativen Energien ist die Flächeninanspruchnahme einer Windenergieanlage jedoch eher gering. Hinzu kommt, dass die Anlagen schnell und umfassend nach Ablauf ihrer Betriebszeit wieder abgebaut werden können.

Wie kam es dazu, dass im Altdorfer Wald Flächen für Windkraft ausgeschrieben wurden?

Dass ForstBW Flächen für Windkraftanlagen ausgeschrieben hat, geht auf einen politischen Auftrag der Landesregierung zurück. Im Koalitionsvertrag von 2021 wurde eine Vergabeoffensive für die Vermarktung von Staatswaldflächen für die Windenergie vereinbart. Diese sieht vor, dass bis Ende 2025 Flächen für 500 Windenergieanlagen auszuschreiben sind. ForstBW hat daraufhin für die erste Ausschreibung unter anderem auch Flächen im Altdorfer Wald ausgewählt. Dies erfolgte nach interner Prüfung von Windhöffigkeit und bestehender Naturschutzrestriktionen. Die Staatswaldfläche am Altdorfer Wald beträgt 6.200 Hektar, hiervon wurden 1.200 Hektar als Suchraum für die Windenergienutzung vergeben, dies entspricht 20 Prozent der Waldfläche. Die tatsächlich für den Bau von Windenergieanlagen beanspruchte Fläche wird dabei deutlich unter 1 Prozent der Staatswaldfläche liegen.   

Welche Berührungspunkte haben Sie in Ihrer Arbeit bisher mit Windenergie im Wald?

Neben dem Windpark Altdorfer Wald ist im Forstbezirk ein weiteres Windparkprojekt mit 4 Windenergieanlagen bereits in der Umsetzung. Wir stehen in gutem Kontakt zu den Windkraftbetreibern und werden von einem sehr kompetenten Windkraftteam, das bei unserer ForstBW-Betriebsleitung angesiedelt ist, unterstützt und beraten.

Was würden Sie sich aus forstwirtschaftlicher Sicht von Windparkbetreibern im Altdorfer Wald wünschen?

Ich wünsche mir, dass der Windpark Altdorfer Wald ein Erfolg für die Energiewende, für den Wald und für die Menschen in unserer Region wird.

Vielen Dank für das informative und aufschlussreiche Interview und den tieferen Einblick in die Gegebenheiten im Altdorfer Wald sowie das komplexe Thema Windenergie im Wald.

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